Baustelle Bildung: Betreten auf eigene Gefahr

Pressespiegel

Bericht

von Helen Bärlin, Landesarbeitskreis DaZ- und DaF-Lehrkräfte, GEW Baden-Württemberg

 

Einsturzgefährdetes "Bildungshaus" - stets im Schatten der "Schwarzen Null"

 

Zusammengewürfelt, nur von Spanngurten gehalten und mit Warnschildern umstellt: So zeigte sich das "Bildungshaus" im Rahmen der GEW-Aktion "Baustelle Bildung - Betreten auf eigene Gefahr!" am 30.06. auf dem Stuttgarter Schillerplatz. Zeitmangel, Lehrermangel, ungleiche Bezahlung, steigende Anforderungen, das Bildungshaus war über und über mit Problemen, Wünschen und Forderungen beschriftet. Drumherum: Mehrere hundert Demonstrant/innen aus allen Organisationsbereichen der GEW, die den Schillerplatz mit Trillerpfeifen, Warnschildern und Absperrband in eine Großbaustelle verwandelten.

Schubkarrenweise fuhren die Lehrenden, Erziehenden und Forschenden ihre Probleme und Wünsche auf. Doch selbst bescheidenste Anliegen wie "Zeit für Kita-Leitung einplanen" (Kita), "Regelunterricht muss auch stattfinden" (Schulen), "Unterrichtsmaterial für bereits beschlossenes Curriculum bereit stellen" (AK Lesben/Schwule) oder "soziale Absicherung" (Honorarlehrkräfte) mussten schließlich in der symbolischen "Schwarzen Null" verschwinden. Damit setzte die GEW auch ein Signal gegen die Tendenz, mit dem Vorschlaghammer "Sparen!" jedes gute Argument und jede pädagogisch wichtige Maßnahme von vornherein abzubügeln - oder beschlossene Maßnahmen einfach in der Praxis durch mangelnde Ressourcenausstattung zu unterwandern. Auf den Punkt brachte es die Band "Die Marbacher" mit ihrem Song: "Bildung ist wie ein Haus, solide gebaut kommt am Ende auch was raus. Doch gute Bildung hat ihren Preis - sparen ist hier der letzte Sch***!"

Waren es wirklich nur die Windböen, oder spürte das "Bildungshaus" instinktiv die immensen Kämpfe, die in seinem Innern vonstatten gehen? Jedenfalls brach das fragile Konstrukt im Laufe der Aktion gleich zwei Mal dramaturgisch passend in sich zusammen. Wenn das mal nicht ein Omen für die Bildungslandschaft ist...

 

Deutschunterricht im Kartoffelsack: "Tagelöhner" leisten Integrationsarbeit

 

Die Tradition der chronischen Unterfinanzierung reicht in der Erwachsenenbildung zwar weiter zurück als die aktuelle Sparpolitik, die Konsequenzen sind jedoch die gleichen. Auch hier wird immer wieder der Allgemeinplatz "Wer soll das bezahlen?" aufgefahren. Die dreizehn Honorarlehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache (DaF), die aus vier Städten zur Baustelle Bildung anreisten, kennen darauf nur eine Antwort: "Wir jedenfalls nicht."

Das machte auch die Sprecherin der DaF-Honorarlehrkräfte deutlich, die die Bühne im aus einem Kartoffelsack geschneiderten Gewand betrat. "Wer bei diesem Outfit an Mittelalter und Tagelöhner denkt, der liegt damit gar nicht so falsch", so die Sprecherin, und erklärte: "Wir sind Dozentinnen und Dozenten, die Kurse leiten, in denen Menschen mit einer anderen Muttersprache Deutsch lernen können. Wir sind also Schlüssel zur Integration. Integration ist eine Daueraufgabe und braucht Dauerstellen. Für uns gibt es aber weder Dauerstellen noch eine feste Anstellung! Wir hangeln uns mit Honorarverträgen von Kurs zu Kurs. Neben dem unternehmerischen Risiko tragen wir auch die vollen Sozialversicherungsbeiträge selbst. Um alle genannten Kosten und Risiken zu decken, brauchen wir trotz der letzten Anpassung noch immer ein deutlich höheres Honorarniveau als heute. Damit wir von unserer Arbeit angemessen leben können, müssen es mindestens 54 € pro Unterrichtseinheit sein. Obwohl wir eine für die gesamte Gesellschaft sehr wichtige Aufgabe erfüllen, arbeiten wir unter Bedingungen wie Lehrpersonal Vierter Klasse. Dagegen wehren wir uns!"

Die Sprecherin "opferte" der Schwarzen Null ein "ausreichendes Honorar", "soziale Absicherung" und "feste Stellen". Das Video dazu ist auf der Website der GEW-BW zu sehen.